Lisa, 32 Jahre alt, erlebt seit einigen Monaten plötzlich auftretende, intensive Angstanfälle. Ohne erkennbaren Grund bekommt sie Herzrasen, Atemnot, Schwindel und das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Einmal dachte sie sogar, sie habe einen Herzinfarkt. Nach mehreren Untersuchungen konnte ihr Arzt jedoch keine körperliche Ursache feststellen. Die Angst vor der nächsten Attacke wurde so groß, dass Lisa öffentliche Orte mied und sich immer häufiger zurückzog. Ihr Alltag war stark eingeschränkt, und sie wusste nicht mehr weiter.

Im ICD-10 werden Angststörungen unter F40-F41 klassifiziert:

Panikstörung (F41.0): Wiederkehrende, unerwartete Panikattacken ohne spezifischen Auslöser, begleitet von intensiver körperlicher Angstreaktion.

Generalisierte Angststörung (F41.1): Anhaltende, übermäßige Sorgen und Ängste über verschiedene Lebensbereiche ohne konkrete Bedrohung.

Spezifische Phobien (F40.2): Übermäßige Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen (z. B. Höhenangst, Flugangst).

Agoraphobie mit oder ohne Panikstörung (F40.0/F40.01): Angst vor Orten oder Situationen, aus denen eine Flucht schwierig erscheint, oft mit Vermeidungsverhalten.

Panikattacken treten häufig plötzlich auf und dauern meist 10 bis 30 Minuten. Sie gehen mit Symptomen wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen, Atemnot, Schwindel und dem Gefühl der Unwirklichkeit einher.

Die Verhaltenstherapie bietet wissenschaftlich fundierte Methoden, um Ängste langfristig zu bewältigen:

  • Psychoedukation: Angst verstehen
  • Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von Angst und Panik.
  • Vermittlung des Zusammenspiels von Gedanken, Körperreaktionen und Verhalten.
  • Entkatastrophisierung: Angst ist unangenehm, aber nicht gefährlich.

Kognitive Techniken: Gedanken hinterfragen und verändern

  • Kognitive Umstrukturierung: Identifikation und Veränderung von angstverstärkenden Denkmustern („Ich werde sterben“ → „Es ist nur eine Panikattacke, sie geht vorbei“).
  • Realitätsprüfung: Konkrete Überprüfung von Befürchtungen durch Erfahrungswerte.
  • Achtsamkeit und Akzeptanzstrategien: Förderung eines gelasseneren Umgangs mit Angstsymptomen.

Expositionstherapie: Sich der Angst stellen

  • Konfrontation mit angstauslösenden Situationen (z. B. wieder U-Bahn fahren, ohne zu flüchten).
  • Interozeptive Exposition: Gezieltes Hervorrufen von körperlichen Angstsymptomen (z. B. schnelle Atmung, Herzklopfen), um die Angstreaktion zu entkräften.
  • Systematische Desensibilisierung: Schrittweise Annäherung an angstbesetzte Reize kombiniert mit Entspannung.

Körperzentrierte Methoden: Physiologische Beruhigung

  • Atemtechniken (z. B. 4-7-8-Atmung): Reduktion von Hyperventilation und Beruhigung des Nervensystems.
  • Progressive Muskelentspannung nach Jacobson: Körperliche Anspannung bewusst lösen.
  • Biofeedback: Sichtbarmachen und Regulieren körperlicher Stressreaktionen.

Verhaltensexperimente: Neue Erfahrungen machen

  • Überprüfung von Ängsten durch gezielte Tests (z. B. „Ich werde sicher ohnmächtig“ – bewusstes Aushalten einer Panikattacke, um zu erkennen, dass nichts passiert).
  • Reduzierung von Sicherheitsverhalten: Langfristig lernen, dass man ohne Hilfsmittel (Wasserflasche, Notfallmedikamente) sicher ist.

Rückfallprävention: Langfristige Strategien entwickeln

  • Erkennen früher Warnsignale und gezieltes Gegensteuern.
  • Entwicklung eines persönlichen Notfallplans für Angstsituationen.
  • Förderung eines gesunden Lebensstils (Schlaf, Ernährung, Bewegung) zur Stabilisierung des Nervensystems.

Angst- und Panikstörungen sind gut behandelbar. Mit einer verhaltenstherapeutischen Herangehensweise lernen Betroffene, ihre Ängste zu verstehen, mit ihnen umzugehen und ihr Leben wieder selbstbestimmt zu gestalten. Je früher eine Therapie begonnen wird, desto schneller kann eine nachhaltige Verbesserung erreicht werden.